Kreativlabor im Kreativquartier, München
von Mahlknecht Herrle Architektur, GbR
Offen gesagt, stehe ich der bloßen Material- und Funktionsentfremdung als Konzept für Fassadengestaltung eher skeptisch gegenüber: Regelmäßig werden von Architekten mehr oder weniger überzeugende Fassadenkonstruktionen erfunden und Materialien aus anderen Zusammenhängen „missbraucht“ um – auf Teufel komm raus – besonders innovativ zu wirken. Und diese Erfindung muss dann auch im schlimmsten Fall wie eine Soße über das ganze Haus gegossen werden. Natürlich schafft man einen Hingucker, was Neues, besonders Spritziges. Aber eben auch neue, meist unnötige, Probleme, die erst wieder gerechtfertigt und bezahlt werden wollen. Und meistens wirkt alles dann etwas „bemüht“, um es diplomatisch auszudrücken.
Aber: es ist immer ein Stückchen Innovation dabei. Und wenn dies in einer Stadt wie München passiert, deren Bewohner ja nicht gerade durch architektonische Neuigkeiten im Übermaß belästigt werden, tut ein Gebäude, wie das neue „Kreativlabor im Kreativquartier“ richtig gut. Die Fassade aus Spundwänden (also materiell hoffnungslos überzogen) mit den Überhöhungen an den Ein- und Ausgängen, steht so überzeugend im Kies, so beiläufig massiv und doch mit dem Geruch einer Zwischenlösung, eines vorübergehenden Zustandes. Die Fernwirkung von der Straße aus ist so interessant und einladend, man kann schlicht nicht anders – man muss hinlaufen und sich das „Ding“ anschauen. Der Kontrast zu dem äußerst banalen „tetrisartigen Container-Gewürfel“ gleich nebenan ist so wohltuend, dass man auch wieder den Glauben an Münchener Bauherrenschaft gewinnen kann. Was nicht immer leicht fällt.
Aus der Nähe ist eine Detailausbildung hohen handwerklichen Könnens erkennbar. Die Idee war also nicht nur eine Eintagsfliege, hier wurde auch gut gearbeitet, geplant und entworfen. Die Steifen über den Eingangsöffnungen sind so logisch wie schön, genauso die kleinen Belüftungsöffnungen am Sockel und die Verschraubungen. Alles wohl entwickelt und durchdacht. Am besten gefallen mir die weißen Beschriftungen der Spundwandeinzelteile, wie es auf der Baustelle üblich ist – aber das wahrscheinlich, weil sie eben nicht geplant sind.
Und vielleicht können die Spundwände im Nachhinein wieder für andere Zwecke genutzt werden – das wäre dann auch ein bisschen nachhaltig.
Ich hoffe nur, die Aussenanlagen – die gerade jetzt in ihrem nicht gebautem Zustand – sehr überzeugend nicht vorhanden sind, machen den Architekten keinen Strich durch die Rechnung. Aber wer so ein Haus erfinden kann, schafft es wahrscheinlich auch die „richtigen“ Aussenanlagen wegzulassen.
Also von meiner Seite: Chapeau und Hut ab!
von Thomas Gerstmeir, 26.04.2021