Holzbiwak, Medvednica Gebirge, Kroatien
von Ervin Poljak
Einst konnte ich Stunden um Stunden vor dem Monitor verbringen, mausklickend, mich von Tutorial zu Tutorial bewegend, voller Euphorie und Wissensdrang, fasziniert von virtuellen Welten, Parametrik und Renderei, immer ein paar gute Tunes im Hintergrund laufend, hier und da eine Southpark-Folge konsumierend, tendenziell eher im Grünrausch zur „Ärge“ anstatt im Frühtau zu Berge. Mittlerweile freue ich mich über jeden Moment, welche ich in der Natur verbringen kann, fernab der 4K Pixelsphären. Den Gebirgszug, welcher meinen aktuellen Wohnort mit seiner Flora und Fauna durchzieht, betrachte ich als Extension meines Wohnzimmers. Ausgedehnte Aufenthalte im Wald ermöglichen mir, die wahre Schönheit „im Kleinen“ zu entdecken und zu genießen. Form, Licht, Schatten, Witterung, Stille, Bewegung, alles wunderbar miteinander harmonierend – nachhaltige Erlebnisse garantierend. Die Interpretation solch einer Fülle verlagert sich immer mehr von der Domäne des Intellekts hin zum Herzen, zum gefühlt Schönen. Die Wahrnehmung wird intuitiver, ebenso das Erleben und Verstehen von Raum und Zeit. Der Moment gewinnt immer mehr an Bedeutung.
Auf meinen Wanderungen und Waldaufenthalten entdecke ich dann auch hier und dort etwas von Menschenhand gemachtes, was mich zu faszinieren vermag.
Einige Höhenmeter unterhalb der Gebirgshütte „Puntijarka“, auf einer recht populären Wanderrute des Medvednica Gebirgszuges nördlich von Zagreb befindet sich ein kleines Holzbiwak, dessen Erscheinungsbild mich immer wieder aufs Neue erfreut. Hier hat sich jemand die Mühe gemacht, mit recht einfachen Mitteln, eine Unterkunft für „schlechte“ Witterungsverhältnisse zu schaffen. Das Biwak befindet sich kurz vor dem Ende einer knapp 6 km langen Wanderroute mit ca. 15% durchschnittlicher Steigung. Der Anblick des Biwaks sorgt unter den Wandersleuten für eine Art Vorfreude auf die sehnlichst erwartete Berghütte, in welcher sie dann für ihre mühsam erklommenen Höhenmeter mit Hausmannskost und warmen Getränken belohnt werden.
Ich gehe diese Strecke recht häufig, habe bisher jedoch nur wenige Male Anzeichen der Benutzung des Biwaks gesehen. Zur Winterzeit steigen ab und zu Rauchschwaden aus dem Schornstein, ansonsten vermisse ich eher eindeutige Anzeichen der Nutzung. Ihr schlichtes Erscheinungsbild erweckt bei mir immer ein sehr angenehmes Gefühl. Eine einfache, aufgeständerte Holzhütte mit Satteldach und auskragender Terrasse, welche den Eingang definiert, alles recht grob gefügt, wunderbar! Die Holzverschalung ist in einer schwarzen Farbe imprägniert – diese schimmert dann bei entsprechendem Sonnenstand leicht bläulichen. Der Schornstein, außen liegend, weiß verputzt, hebt sich als definierte Vertikale von seinem Hintergrund ab. Ich verweile dort gerne, drehe ein paar Runden um den Bau und lasse mich von seiner Einfachheit faszinieren, bevor ich dann meine finalen Schritte in Richtung Hütte ansetze um mir mein wohlverdientes Bier zu gönnen. Schade dass die dort oben kein bayerisches Bier ausschenken, ich muss dann zu einem süffigen „Nikšić“ aus Montenegro greifen, da das kroatische Standardbier (bis auf einige Craftereien) nicht wirklich taugt .
So groß, so still,
so feierlich,
ragen die Bäume empor.
Nicht Menschenlaut
noch Vogellied
dringt an mein Ohr …
Leises Summen
hoch oben zieht
in der klaren Luft.
Lichtgrüner Schein
liegt auf dem Moos
und würziger Nadelduft:
Als wäre aus der lauten Welt
aller Friede hergezogen
und flösse sacht durch dieses Tal
in weichen, sanften Wogen,
und flösse sacht und sonder Schall
durch ruhelose Herzen,
so hehr, so ernst, so feierlich,
fortspülend alle Schmerzen.
(Ada Christen – Im Walde)
zur Person:
Je kleiner das Haus, desto länger der Text. Aus diesem Grund fassen wir uns kurz.
Ervins Beitrag behandelt die Sehnsucht des „urbanen Menschen“ nach einer „Urhütte“, ein Befinden, das sich im Zuge der notwendig gewordenen Nachverdichtungen in unseren Städten stetig verstärkt.
Der Beitrag steht aber auch für Ervins Wesen, das eines umtriebigen Menschen und Architekten, der das Stadtleben liebt und sich mit allen möglichen Dingen mit einer Hingabe und Begeisterung befasst, die ich selten gesehen habe.
Diese hat er nicht nur für seinen Beruf, sondern auch für die schönen Dinge im Leben.
Ervin, Danke für Deinen Beitrag!
Siniša „Drago“ Inić, München, 30.11.2017