Rückblickend auf nun über ein Jahr voller Häuser des Monats bei gerstmeir inić architekten kann man drei Gruppen von Häusern erkennen. Zum einen sind dort die Urlaubsentdeckungen, dann gibt es noch Photoshoparbeiten und schließlich die Erinnerungen samt Überschneidungen – und Ausnahmen bestätigen die Regel.
Als jemand, der erst im letzten Jahr sein Architekturstudium beendet hat, bietet mir die Einladung ein Haus des Monats beizusteuern die Möglichkeit, selber zurückzublicken und mich zu erinnern, wie es dazu kommen konnte, dass ich Architektur studiert habe.
Hierbei kann ich ganz früh anfangen. Das Rathaus der Stadt Reinbek, vom Reinbeker Horst Schlund entworfen und 1973 fertiggestellt, steht unweit des Krankenhauses, in dem ich geboren wurde, fußläufig entfernt von dem Haus, in dem ich später leben sollte.
Es ist bei weitem nicht das beliebteste Gebäude Reinbeks, der Straße, der Ecke.
Die Menschen meiner Elterngeneration erinnern sich lieber an den Vorgängerbau. Ein klassisches Rathaus mit Satteldach, Glocke und Vorgarten, nichts Besonderes in der Umgebung, aber doch ein sehr viel bequemerer Bau als die Körper aus Sichtbeton, die seinen Platz eingenommen haben. Auch ich habe das Rathaus nicht immer schön gefunden, das Umfeld nicht immer schön gefunden – und doch hat es mich geprägt und schlussendlich für sich gewonnen. Nach einigen Jahren Studium kam schließlich in den letzten Jahren das wachsende Verständnis für Betonbrutalismus und seine ganze eigene Ästhetik, dazu die Beschäftigung mit dem Thema sowohl im Büro als auch schlussendlich die eigene Masterthesis haben mich dann wieder in Gedanken zurück in die Heimat geführt und damit auch zum Rathaus.
Dazu steht das Rathaus für mich in seiner Funktion als oberstes Haus der Stadt auch für das große Ganze, das ich hier nicht unerwähnt lassen möchte und das mich als Ensemble unterbewusst beeinflusst hat – meine Faszination für die Postmoderne und die Agglomeration verschiedenster Formen begründet.
Folgt man den aneinandergeknüpften Straßen Schloßstraße, Bahnhofstraße und Hamburger Straße, an deren Angfang das Rathaus steht, so sieht man angefangen beim Schloß fast 500 Jahre Baugeschichte. In so einer Umgebung, mit den alten Villen der Jahrhundertwende, den zeltbedachten Backsteinwürfeln der 20er und 30er, der Rowohlt-Zentrale von 1960 und dem Sachsenwald- Hochhaus von 1967, ähnlich kritisch beäugt, wächst man in einer kleinen Stadt am Rande Hamburgs architektonisch geprägt auf.
In einer Kleinstadt, die neben einer neogotischen eben auch eine Backsteinkirche aus den 50er aufzuweisen hat und von deren Rathaus man auf ein postmodernes City Center guckt, das sich als giebelständiges Fachwerkhaus in Beton und Ziegel kleidet.
Wenn man dann schon mit 6 Jahren auf die erste Baustelle geführt wird, die zementene Luft einatmet und stolz zum weißbehelmten Vater hinaufschaut, ist man allen Versuchungen zum Trotz für immer von der Architektur gefangen.
Auch wenn ich schon in jungen Jahren über die Bille ins benachbarte Wentorf gezogen bin, fühle ich mich doch mindestens ebenso als Reinbeker. Bin Reinbeker in dritter Generation. Architekt in dritter Generation.
Julian Schmidt-Eichberg, 26.06.2016
zur Person:
Bereits als Student musste Julian unsere Launen ertragen und die Hochs und Tiefs des Architektenberufes in unserem Büro erleben. Das hat ihn nicht davon abgehalten nach seinem Studium bei uns anzufangen.
Seine Lust an Architektur hat er von der Uni ins Büro mitgenommen und wir hoffen, dass er sie noch eine lange Zeit behält und in unserem Büro anwendet.
Danke für Deinen Beitrag!
Siniša „Drago“ Inić, München, 30.06.2016
Das nächste Haus des Monats wird vorgestellt von:
Clemens Nuyken, N-V-O Nuyken von Oefele Architekten BDA