Juni 2019

Dieses Mal: Andrea Uhrig

Katholische Kirche St. Sebastian Rockenhausen

Der Architekt: Rudolf Pérignon wurde 1880 in Landstuhl geboren und sollte eigentlich Theologie studieren. Sein großes Interesse allerdings galt der Architektur, weshalb er sich dafür an der Technischen Hochschule in München einschrieb. Er erlangte sein Diplom als Jahrgangsbester. Mit dem Eintritt zum Militär und durch sein Studium wurde er Militärbauinspektor in Würzburg und später Ministerialrat. 1915 wurde der Pfälzer mit dem Militär-Max-Joseph-Orden in den persönlichen Adelstand gehoben und durfte sich fortan Rudolf Ritter von Pérignon nennen. Neben Militärbauten machte er sich vor allem einen Namen mit seinen Sakralbauten im Bistum Speyer. Im Alter von 56 Jahren diplomierte er noch einmal, jedoch als Landwirt. Das erworbene Landgut in Bayern bewirtschaftete er und verbrachte dort auch seinen Lebensabend bis hin zum Tod.

Die Kirche: Vorgängerbauten die auf die eine oder andere Art zerstört wurden, machten Anfang des 20. Jh. einen Neubau für die katholische Kirchengemeinde in Rockenhausen notwendig. Mit der dringlichen Empfehlung des Bezirksamtes an die Gemeinde wurde auf eine heimische Bauweise sowie auf die Achtung des Orts- und Landschaftsbildes gepocht. Unter neun Entwürfen setzte sich der von Ritter von Pérignon in einem von der Kirchenverwaltung ausgelobten Wettbewerb durch. Pérignon wollte in der Pfalz eine noch nie gesehene Kirche umsetzen. Der Entwurf bestach durch seine ganz eigene und ungewöhnliche Zusammenführung verschiedener Baustile. Analogien als zeitgemäßes Pendant zum Grabmal von Theoderich in Ravenna werden dem Bauwerk in der Literatur zuerkannt.

Soweit die stark verkürzte Zusammenfassung der verfügbaren Abhandlungen zu diesem Architekten und zu dieser Kirche. Was die Kirche für uns im Büro wirklich reizvoll macht ist zum einen die Tatsache, dass diese tatsächlich aus einem Wettbewerb hervorgegangen ist und zum anderen dass sie nicht unbedingt den damaligen gängigen Vorstellungen entsprach. Der Entwurf der sehr lange kontrovers diskutiert wurde fand seine Befürworter und wurde gebaut.

Ich hatte bislang zwei Berührungspunkte mit St. Sebastian, die die Ambivalenz des Gebäudes beschreiben. Zum einen war es einmal der Treffpunkt für eine unserer Töchter als diese in eine Jugendfreizeit startete. Ich muss gestehen, die Kirche ist damals im Umfeld harmonisch aufgegangen und hat zunächst keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, obwohl das Gotteshaus aus Pfälzer Sandstein mit seinem imposanten Turm kaum zu übersehen ist. Das zweite Mal bin ich über unsere langjährige Beschäftigung mit Sakralbauten bewusst hingefahren. Diese Begegnung kann man treffend mit dem Besuch einer der vielen Kirchen in mediterranen Ländern vergleichen. Man kommt aus dem gleißenden Sonnenlicht in einen zunächst dunklen Innenraum und hat Mühe sich zurechtzufinden. Langsam gewöhnt sich das Auge an die Lichtverhältnisse und ein überbordender Reichtum an Detailierung wird zunehmend sichtbar. Übersetzt heißt das für die Kirche in Rockenhausen, wenn man sich angemessen Zeit für das Ensemble nimmt rückt es aus dem vermeintlich homogenen Umfeld heraus und eröffnet unerwartete Mannigfaltigkeit in der Fügung. Pérignon interpretierte und transformierte die Maßgaben der heimischen Bauweise sowie die ortsbildprägende Charakteristik in eine eigenständige Kirche mit ganz besonderer Anziehungskraft, es lohnt sich sie zu besuchen.

Andrea Uhrig, bayer | uhrig Architekten

zur Person:
Und ich muss gestehen: So gut, dass ich einen wirklich qualifizierten Text über ihre Person schreiben könnte, kenne ich Andrea gar nicht. Das macht aber erstmal nicht viel aus, denn ihr sehr schöner Beitrag zum HdM, der ein bemerkenswertes Haus eines bemerkenswerten Architekten beschreibt, ist dafür umso qualifizierter und macht genau das, was das HdM soll: den Leser auf bemerkenswerte, vielleicht auch unbekannte Häuser und deren Architekten neugierig machen.
Bemerkenswerte Bauten finden sich übrigens auch auf der Website ihres Büros, das sie zusammen mit Ihrem Partner Dirk Bayer betreibt:
http://www.bayer-uhrig.de
Viel Spaß beim Stöbern

Foto: Dirk Bayer