Dieses Mal: Andrea Uhrig
Katholische Kirche St. Sebastian Rockenhausen
Die Kirche: Vorgängerbauten die auf die eine oder andere Art zerstört wurden, machten Anfang des 20. Jh. einen Neubau für die katholische Kirchengemeinde in Rockenhausen notwendig. Mit der dringlichen Empfehlung des Bezirksamtes an die Gemeinde wurde auf eine heimische Bauweise sowie auf die Achtung des Orts- und Landschaftsbildes gepocht. Unter neun Entwürfen setzte sich der von Ritter von Pérignon in einem von der Kirchenverwaltung ausgelobten Wettbewerb durch. Pérignon wollte in der Pfalz eine noch nie gesehene Kirche umsetzen. Der Entwurf bestach durch seine ganz eigene und ungewöhnliche Zusammenführung verschiedener Baustile. Analogien als zeitgemäßes Pendant zum Grabmal von Theoderich in Ravenna werden dem Bauwerk in der Literatur zuerkannt.
Soweit die stark verkürzte Zusammenfassung der verfügbaren Abhandlungen zu diesem Architekten und zu dieser Kirche. Was die Kirche für uns im Büro wirklich reizvoll macht ist zum einen die Tatsache, dass diese tatsächlich aus einem Wettbewerb hervorgegangen ist und zum anderen dass sie nicht unbedingt den damaligen gängigen Vorstellungen entsprach. Der Entwurf der sehr lange kontrovers diskutiert wurde fand seine Befürworter und wurde gebaut.
Ich hatte bislang zwei Berührungspunkte mit St. Sebastian, die die Ambivalenz des Gebäudes beschreiben. Zum einen war es einmal der Treffpunkt für eine unserer Töchter als diese in eine Jugendfreizeit startete. Ich muss gestehen, die Kirche ist damals im Umfeld harmonisch aufgegangen und hat zunächst keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, obwohl das Gotteshaus aus Pfälzer Sandstein mit seinem imposanten Turm kaum zu übersehen ist. Das zweite Mal bin ich über unsere langjährige Beschäftigung mit Sakralbauten bewusst hingefahren. Diese Begegnung kann man treffend mit dem Besuch einer der vielen Kirchen in mediterranen Ländern vergleichen. Man kommt aus dem gleißenden Sonnenlicht in einen zunächst dunklen Innenraum und hat Mühe sich zurechtzufinden. Langsam gewöhnt sich das Auge an die Lichtverhältnisse und ein überbordender Reichtum an Detailierung wird zunehmend sichtbar. Übersetzt heißt das für die Kirche in Rockenhausen, wenn man sich angemessen Zeit für das Ensemble nimmt rückt es aus dem vermeintlich homogenen Umfeld heraus und eröffnet unerwartete Mannigfaltigkeit in der Fügung. Pérignon interpretierte und transformierte die Maßgaben der heimischen Bauweise sowie die ortsbildprägende Charakteristik in eine eigenständige Kirche mit ganz besonderer Anziehungskraft, es lohnt sich sie zu besuchen.
Andrea Uhrig, bayer | uhrig Architekten
zur Person:
Und ich muss gestehen: So gut, dass ich einen wirklich qualifizierten Text über ihre Person schreiben könnte, kenne ich Andrea gar nicht. Das macht aber erstmal nicht viel aus, denn ihr sehr schöner Beitrag zum HdM, der ein bemerkenswertes Haus eines bemerkenswerten Architekten beschreibt, ist dafür umso qualifizierter und macht genau das, was das HdM soll: den Leser auf bemerkenswerte, vielleicht auch unbekannte Häuser und deren Architekten neugierig machen.
Bemerkenswerte Bauten finden sich übrigens auch auf der Website ihres Büros, das sie zusammen mit Ihrem Partner Dirk Bayer betreibt:
http://www.bayer-uhrig.de
Viel Spaß beim Stöbern