dieses mal: Christian Kayser
Bozener Stadtpfarrkirche
Lightweight architecture. Leicht bauen, mit Membranen, mit Carbonfaser, von mir aus auch mit Stahl – das kann jeder. Wirklich leicht wird das Leichte aber erst, wenn es aus Schwerem besteht: lightweight architecture aus Stein.
Auch wenn der Turmhelm der Bozener Stadtpfarrkirche in der Innenansicht an die Stahltürme Vladimir Schuchovs, oder an einen Freileitungs-Gittermast für Hochspannungsleitungen erinnert, handelt es sich doch um eine Steinkonstruktion des Spätmittelalters. Geplant hat sie der große Augsburger Baumeister Burkhard Engelberg, umgesetzt wurde sie zwischen 1500 und 1517 von seinem dafür nach Südtirol entsandten Parlier Hans Lutz von Schussenried. Dem Schwaben gefiel es dann an seinem neuen Wirkungsort so gut, dass er sich dauerhaft in Bozen niederließ, heiratete und einen gut gehenden Weinhandel eröffnete.
Zwar wurde der Turmaufbau bereits um 1800 von den habsburgischen Behörden als „durchgehend schlecht“ , einsturzgefährdet und erneuerungsbedürftig beurteilt, doch verhinderten die Zeitläufte – Kriege, Revolutionen, Verwaltungsakte – eine für den spätgotischen Bestand möglicherweise fatale Instandsetzung. Erst unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurde, zunächst als Notmaßnahme, ein stützendes Stahlgerüst in den Helm eingefügt. Das Skelett harmoniert vorzüglich mit dem spätmittelalterlichen Stein. So genießt auch weiterhin der neugierigen Besucher, der eine Aufstiegserlaubnis erwirkten konnte, die spektakuläre historischer Baukonstruktion sowie reizvolle Ausblicke auf Altstadtdächer, Reben und Bergeshöhen. Nach dem Abstieg empfiehlt sich die Einkehr in einer der örtlichen Weinstuben, um der Erbauer zu gedenken.
zur Person:
Selten haben ich jemanden getroffen, der seine Arbeit lebt und liebt, so wie es Christian Kayser tut.
Seine Begeisterung steckt förmlich an. Über die Themengebiete Bauforschung, Bau- und Kunstgeschichte und historische Tragwerke verfügt er ein beneidenswertes Wissen, dass er anschaulich vermittelt.
Die Häuser, deren abwechslungsreiche Geschichte Herr Kayser zu erzählen vermag, können dadurch im weiteren Planungs- und Bauprozess ihre Identität bewahren.
Das gilt übrigens nicht nur für die offensichtlichen Baudenkmäler.
Auch den vermeintlich unscheinbaren und von vielen als baugeschichtlich „unwichtig“ eingestuften Häusern gibt er (s)eine Stimme.
Herr Kayser, danke für den tollen Beitrag!
Siniša „Drago“ Inić