dieses Mal: Tanja Amann
Brüderhäuser in Landsberg
Landsberg am Lech ist mit seiner wunderschön restaurierten, historischen Altstadt aus dem Mittelalter (von hoher Qualität und zum Glück ohne größere Bausünden) mittlerweile zu meiner Heimatstadt geworden. Die Stadt erinnert mich durch seine verwinkelten Gassen, den bunten, historischen Häusern und kleinen Flussläufen mehr an ein italienisches Dorf als an eine Stadt in Oberbayern.
Bei Spaziergänbgen durch die Stadt sind mir die „ungleichen“ oder auch „feindlichen Brüder“ in der Hubert-von-Herkomer-Straße schon sehr frühzeitig aufgefallen. Sie gehören mit zu den ältesten Häusern in der Stadt und besonders interessant und auffällig finde ich die Giebelstellung und die Geschichte, die sich dahinter verbirgt. Auf meinen Streifzügen habe ich bisher keine anderen Häuser gefunden, die dieses besondere Baumerkmal aufweisen.
Der Erzählung nach handelte es sich bei den Bauherren hier um zwei Brüder, die sich während der gemeinsamen Bauzeit derartig zerstritten haben, dass die Häuser auf keinen Fall identisch gebaut werden durften, absolut nichts sollte gleich sein und zur Verdeutlichung des Zerwürfnisses ist die besondere Giebelstellung entstand.
Tatsächlich ist allerdings die Dachform durch das Baurecht des 15. Jahrhunderts begründet:
Dieses setzte nämlich das Einvernehmen der Nachbarn voraus, dass das Dachwasser über die gemeinsame Mauer abgeleitet wird. Wenn das Einvernehmen nicht vorlag, musste das Dach als Grabendach ausgeführt werden, um das Wasser durch die eigene Giebelwand abzuleiten. (Mittlerweile haben die beiden Häuser wieder eine gemeinsame Grabenrinne.)
Im südlichen Haus befand sich zwei Jahrhunderte lang eine Seilerei und aktuell ist dort eine Goldschmiede beheimatet, im nördlichen Haus befindet sich seit 1627 bis heute eine Bäckerei.
(Quelle: u.a. A. Lichtenstern, Stadtführer)
zum Beitrag und Person:
Ja, Bauen hat was mit Einvernehmlichkeit zu tun. Sollte es zumindest, wenn ich auch zugeben muss, dass diese kleinen Stadthäuser auf sehr wunderbare Weise den Brüderstreit ausdrücken. Ist Streit und Eifer etwa ein guter Architekt?
Zumindest die Idee des Unidentischen wäre vielleicht auch mal einen Gestaltungsversuch für unsere „modernen“ Eigenheimsiedlungen. Hier würde ich mir doch des öfteren zumindest einen inneren Streit wünschen. Aber wahrscheinlich ist die Form des freistehenden Eigenheims in seiner Grundidee bereits überholt und in unserer Gesellschaft nicht mehr tragfähig. Und bei allem Streit: die Brüder aus Landsberg haben zumindest das bereits besser gemacht.
Tanja ist die gute Seele und das organisatorische Kräftezentrum in unserem Büro. Seit Jahren organisiert sie auch auf wunderbare entspannte Weise unser Bürofest, auf dessen nächste Ausgabe wir uns sehr freuen, hoffentlich in 2021. Wir danken Ihr für diesen herrlich bodenständigen, bei uns nicht umstrittenen Beitrag.