August 2018

von Thomas Gerstmeir

Resterampe
Zugegebenermaßen gefällt mir dieser Interimszustand des zu unrecht abgebrochenen Uhrmacherhäuschens in Obergiesing ganz gut. Also rein bauplastisch. Auch die provisorische Materialcollage mag ich. Entwerfen kann man sowas nicht, das steht fest.
Es steht dagegen nicht fest, wie ein Denkmalamt oder die Baubehörde, die Justiz und die Giesinger selbst mit der Situation umgehen sollen. Ist es wirklich sinnvoll, das bestehende Haus aus den Resten zu rekonstruieren und damit auf mehr Wohnraum zu verzichten? Was sieht das geltende Recht überhaupt vor und wie verfahrensstabil ist ein vom Rechtstext ableitbares Strafmaß? Brauchen wir das Haus als Denkmal, oder haben wir nicht andere Probleme? Mein Herz sagt hier was anderes als mein Kopf. Den Bauch hab ich noch nicht gefragt, der ist noch ziemlich wütend und deshalb ein schlechter Ratgeber.
Die Zeit spielt jedoch hier für die Entscheider. Wie lange die Entscheidung offen bleibt, ist erst einmal egal; eventuell sehr ärgerlich für den sehr forschen Bauträger. Und das sieht man dem provisorischen Verbau an: Der hält wohl eine ganze Weile. Anspruch auf eine schnelle Entscheidung hat hier niemand. Auch Zeitdruck ist ein schlechter Ratgeber. Und es bleibt mehr Gelegenheit, an den Mahnwachen – übrigens an jedem 2. Freitag im Monat um 18 Uhr vor den Resten des Hauses – teilzunehmen. Bei diesen geht es nicht nur um das alte Häuschen, sondern um einen letzten Rest Anstand in der Immobilienwirtschaft.
Die Tatsache, dass es die Mahnwachen überhaupt gibt, zeigt jedenfalls, dass es den Bürgern anscheinend nicht ganz egal ist, wie ihre Umwelt gestaltet und kommerzialisiert wird – und dass nicht jeder Versuch der Schaffung von Tatsachen hingenommen wird. Das macht wieder Mut!
Thomas Gerstmeir, 06.08.2018