Februar 2018

HAUS IN ROA
Architekt: wenn überhaupt, dann unbekannt
Baujahr: unbekannt
Standort: Roa, Provinz Burgos, Spanien

Einmal im Jahr fahren wir, vier Studienfreunde, auf Exkursion. Die gewählten Unterkünfte sind meist recht spartanisch, das Geld wird besser für Essen und Trinken ausgegeben. Diese Reisen unternehmen wir seit 2007. Sie haben uns bisher nach Tschechien, in die Slowakei, Polen, Slowenien, Kroatien, Bosnien- Herzegowina, Italien, in die Ukraine, Belgien und England geführt. Schon Monate vor Reisebeginn beginnen wir damit, einen Exkursionsführer mit Gebäuden aus verschiedensten Epochen zu erstellen. Die Vorfreude ist jedes Mal gross, der “Roadtrip“ immer sehr inspirierend und bereichernd. Denn es gibt sie noch, die „Architekturerlebnisse“, Gebautes, das einen berührt und in Staunen versetzt.
Die letzte Reise unternahmen wir 2016 nach Nordspanien. Einige Ziele würden wunderbar in diese Rubrik passen, so etwa Santa Maria del Naranco, ein präromanischer Belvedere in der Nähe von Oviedo, die Altstadt von Vitoria-Gasteiz, dort besonders die „Los Arquillos“, oder der Palacio del Condestable in Pamplona, restauriert und modernisiert von Tabuenca & Leache. Doch der Titel dieser Rubrik lautet „Haus des Monats“, nicht Belvedere, Kirche oder Palast des Monats, und da es sehr viel schwerer ist, das täglich Brot besonders zuzubereiten als ein Festessen, will ich ihn wörtlich nehmen.
Der Weg zur Hauptverwaltung des Weinbaugebietes Ribera del Duero von Barozzi Veiga führte uns nach Roa. Dort fiel mir ein kleines Haus auf. Das Haus wurde nie in Gänze fertig gestellt und fristete wohl schon seit Anbeginn seiner Existenz das Dasein einer Bauruine. Die Wände haben die Stärke eines Ziegelsteins, das Mauerwerk im UG ist im Blockverband errichtet, Läufer- und Binderschichten wechseln sich ab. Das OG hingegen ist im flämischen Verband gemauert, hier wechseln sich in einer Schicht die Läufer- und Binderziegel ab und die Schichten sind zueinander versetzt. An Ortgang und Traufe leitet jeweils ein Gesimskranz zur Dachdeckung über. Die Mönch-und-Nonne-Dachdeckung ist wahrscheinlich aus dem gleichen Ton gebrannt wie die Backsteine der Wände.
Diese Bauweise verleiht dem Haus einen monolithischen Ausdruck und zugleich ein feingliedrige Vielschichtigkeit im wahrsten Sinne des Wortes. Die changierende Farbigkeit der gebrannten Steine kommt in der südlichen Sonne besonders schön zur Geltung. Form und Fassaden erinnern in ihrer Einfachheit und Ordnung an die kleinen Siedlungshäuser von Heinrich Tessenow, seine Rohheit an Arbeiten von Harquitectes aus Sabadell und seine Manieriertheit an z. B. das Haus in Agstall von Hild und K. Das Haus vereint die Sehnsucht nach dem Experiment, nach einer Materialität, deren Struktur von selbst zum Ornament wird, nach einer lässigen Schnoddrigkeit und nach einem Bauherrn, mit dem man so etwas verwirklichen kann.

Jan Bohnert, nbundm*

Zur Person:
Wieder mal eine Butze… Hennings “Lingotto“ war nur ein kurzer Exkurs in die großmaßstäblichen Bauten.
Aber wieder einmal ein Beitrag, bei dem sich Deine Gedanken, Jan, um die selben Dinge drehen wie bei uns. Die Begeisterung für das Anonyme, Improvisierte, Unfertige und Unperfekte teilen wir mit Dir (übrigens, auch die Begeisterung für Essen und Trinken). Der Wunsch nach dem „laissez-faire“ beim Bauen und nach Bauherrn, die sich darauf einlassen, geht manchmal in Erfüllung. Auf eines Euerer Projekte bin ich besonders gespannt – ich bin mir sicher, dass Ihr bei diesem Projekt die „lässige Schnoddrigkeit“ hinbekommt.

Siniša „Drago“ Inić, München, 26.01.2018