Le Blockhaus de Tronoën
von Florian Braun
Die Luft steht und klebt schwül-feucht am Körper. Es riecht nach sandig-trockenem Boden. Die drückende Hitze läßt den Atem schwergängig werden. Im Gänsemarsch geht es durch den Hohlweg im Ginstergebüsch. Abrupt öffnet sich der Weg zum tiefer liegenden Meer und biegt nach links entlang eines steil aufragenden Felsens. Ein massiger, brettgeschalter und verwitterter Betonblock ragt aus dem Fels und verströmt aus einer dunklen und mysteriösen Öffnung einen kalt-feuchten Luftzug. Angenehme Frische und rätselhafte Dunkelheit im Inneren. In der mannshohen Öffnung liegen die verkohlten Reste eines Lagerfeuers und etliche Bierflaschen. Weiter oben schmale Schlitze zum Meer.
Kindheitserinnerungen an wiederkehrende Wanderungen durch die Heidelandschaft auf dem steil abfallenden Cap Fréhel im alljährlichen Sommerurlaub an in der Bretagne. Die mysteriösen Betongebilde sind uns damals regelmäßig und in unterschiedlichen Formen und Größen begegnet. Immer am Meer und meistens hoch gelegen. Für uns Kinder mit dem aufregenden Versprechen von Abenteuer und Nervenkitzel. Bei der Kletterei über die Felsen am Strand haben wir die Vorräume hin und wieder inspiziert. Richtig rein getraut haben wir uns nie.
Erst viel später erkannte ich den Zweck der Bauten aus dem zweiten Weltkrieg und konnte sie als Bestandteile des Atlantikwalls einordnen.
Um sich vor der alliierten Invasion zu schützen begannen die Nationalsozialisten Mitte 1942 mit der Befestigung von über 2.500 km Küstenlinie an Atlantik, Ärmelkanal und Nordsee. Auf den Baustellen kam kaum schweres Gerät zum Einsatz, weshalb ab Ende 1942 in den besetzten Gebieten die Bevölkerung zu Zwangsarbeit verpflichtet wurde. So arbeiteten am französischen Atlantikwall ab Ende 1943 unvorstellbaren 291.000 Mann unter katastrophalen Bedingungen. Große Teile der Ressourcen des Dritten Reichs – Material und Menschen – wurden für dieses gigantische Vorhaben verwendet. Schliesslich plante man den Feind ‘ins Meer zurückzuwerfen’.
Generalfeldmarschall Rommel, der 1943 die Leitung des Vorhabens übernommen hatte, erkannte die wesentliche Schwachstelle: die Hauptkampflinie war der Strand und auf Grund nicht ausreichender Truppenstärke war die Verteidigungstiefe sehr gering. Zusammen mit der gravierenden Fehleinschätzung, dass die Alliierten an der schmalsten Stelle des Ärmelkanals ansetzen würden, führte dies dazu, dass der Atlantikwall der sorgfältig geplanten Invasion am D-Day nur einen Tag stand hielt. In der Folge rückten die Alliierten zügig auf Paris vor.
Letztes Jahr im Süden der Bretagne lernen wir neue Typologien kennen. Zum Beispiel das ‘Blockhaus’ als häufig freistehende Bunker mit Gefechts- und Kommandostand oder mannshoch betonierte Tetraeder als Panzersperren an der Brandungslinie.
Am vier Kilometer langen Sandstrand von La Torche liegt unvermittelt hinter der Düne der gebrochene und verwitterte Rest des Blockhaus de Tronoën in einer ausgespülten Wasserlache. Wir verbringen den Nachmittag am Strand mit Blick auf die Ruine, beobachten einen Sprayer bei der konzentrierten Arbeit und schauen Kindern beim kraxeln zu.
Nun also liegt dieser betonierte Zeitzeuge verrottend im bretonischen Sand, wird im Herbst von Stürmen umtost und an trägen Sommertagen selbstverständlicher Teil des Strandlebens. Ein kläglicher Rest der wahnwitzigen Anstrengungen des zu Recht gescheiterten Regimes und Erinnerungsstück an unvorstellbares Leid unter der Besatzung durch die Nationalsozialisten.
Ein Haus des Monats als Symbol für die Geschichte unserer europäischen Gesellschaft und in Bezug auf die politischen Auseinandersetzungen zur Migration vom Juli diesen Jahres – gegen Mauern in Worten und Köpfen!
Florian Braun, Braun Krötsch Architekten
Nachsatz:
Als ich später im Netz den Namen des Brockens suche finde ich einen Surffilm – der örtliche Tidenhub beträgt bis zu gut 5 Meter, so dass das Blockhaus bei hoher Flut zur Hälfte im Wasser verschwindet und von den Surfern umspielt wird.
Zur Person:
Flo kenne ich schon aus unserer Schulzeit in Augsburg. Gemeinsam sind wir nach München gekommen, um Architektur zu studieren. Unser Lebens- und Arbeitsumfeld war oft das gleiche – von der Studentenstadt, über den UBUSA bis hin zur Zeppelinstrasse.
Unsere Wege kreuzten sich oft ohne sich je getrennt zu haben.
Parallel zur Architektur entwickelte Flo während dem Studium eine weitere Leidenschaft, die Fotografie. Und diese flackert wieder auf!
Bei seinem Beitrag beweist er, dass ihm die Fotografie mindestens genauso gut liegt wie die Architektur.
Flo, danke für Deinen Beitrag!
Siniša „Drago“ Inić, München, 31.10.2018