September 2021

dieses Mal: Eva Miklavcic, Andreas Mischke, Eugen Happacher

Das Hochhaus Societa Cattolica Assicurazioni

“I love Naples because it reminds me of New York…“ 

soll Andy Warhol einmal auf die Frage hin, wie er Neapel findet, begeistert entgegnet haben. Auch wenn es in Neapel weit weniger Hochhäuser als in New York gibt, lassen sich durchaus einige Parallelen erkennen.

Das wohl prägnanteste und seiner Zeit höchste Haus der Innenstadt Neapels, ist dass zwischen 1956 und 1958 erbaute 105 Meter hohe Gebäude für die Societa Cattolica Assicurazioni (Katholische Versicherungsgesellschaft). Auf 30 Geschossen stapeln sich neben 15 Geschossen für Büro- und Wohnnutzung, weitere 15 Geschosse für Hotelnutzung. 1954 fand hierzu ein öffentlich ausgeschriebener Wettbewerb statt, welchen Stefania Filo Speziale und ihre beiden Mitstreiter Carlo Chiurazzi und Giorgio Di Simone für sich entscheiden konnten. 
Nach der Fertigstellung hatte es das Hochhaus der Societa Cattolica Assicurazioni in seinem Ansehen bei den Neapolitanern jedoch nicht immer leicht. So stand es lange Zeit für das „Böse“, den Aufbruch in eine Zeit voller Spekulation mit Grund und Boden, kurz den Ausverkauf der Stadt. Verstärkt wurde dieses schlechte Ansehen nochmals mit dem 1963 erschienen Film „Le mani sulla citta“ von Francesco Rosi, in dem das Gebäude zum Schauplatz wird, da der skrupellose und korrupte Unternehmer Eduardo Nottola dort sein Büro hatte.
Was das Gebäude neben dieser Randnotiz jedoch so erwähnenswert macht, ist deren Architektin. Stefania Filo Speziale war die erste Frau, die Anfang der 1930er Jahre in Neapel ihr Studium in Architektur abschloß und so zu einer Wegbereiterin für den Anfang eines sich ändernden Rollenbildes in der italienischen Architektur werden sollte.  
Aber auch auf der architektonischen Betrachtungsebene stellt dieses Gebäude einen wichtigen Beitrag zum Bauen dieser Zeit dar: Neben der charakteristischen Rautenform, welche an vielen Teilen und unterschiedlichen Maßstäben immer wieder am Gebäude Anwendung fand und es so speziell für diese Ära werden lässt, ist es die Einbettung in die Stadt. 
Dem eigentlichen Volumen des Hochhauses ist ein zweiter Gebäudekörper vorgelagert. Basierend auf die damalige Vorgabe der obersten Denkmalpflege, welche eine durchlaufende Straßenflucht forderte, stellte sich diese Tatsache für die ArchitektInnen als bitterer Kompromiss dar, welcher aber gerade heutzutage dieses Gebäudeensemble so spannend macht. 

Ein janusköpfiger Block in dem man Parallelen zu New Yorker Blocktypologie zu finden vermag.

zu den Verfassern:
Jung und interessiert reisten die Verfasser in der Übergangszeit des Studiums zum Berufsleben mehrere Monate durch Italien und „lieferten“ uns dieses Triptychon (siehe dazu die Ausgaben Juli und August). Zumindest stelle ich mir das so vor – und bin neidisch im Bewusstsein, dass so eine Reiseidee bei mir bereits einen anderen Übergang einleiten würde – und dies wohl erst in ein paar Jahren.
Obwohl ich bis dato die „Drei“ noch nicht persönlich getroffen habe: ich finde es toll, wie diese „Neuen“ begeistert und interessiert die Architektur Italiens aufnehmen. Und wer weiß: vielleicht haben wir mit den Beiträgen einen echten Schatz an Frühwerk aufgegabelt 😉

Thomas Gerstmeir, 23.September 2021