dieses mal: Johannes Büge
Wohnhaus Antonio Canova, Rom
Das folgende Haus ist wohl nicht vielen bekannt. Mir zumindest war es bis vor ein paar Wochen, vor meinem erneuten Besuch Roms, noch gänzlich fern.
Es ist das Wohnhaus und Studio des klassizistischen Bildhauers Antonio Canova (1757–1822).
Unweit der Piazza del Popolo, abseits des regen Treibens des Corso und zwischen den Stadtschneisen der “Tridente”, liegt es unscheinbar im dichten Geflecht der Stadt.
Antonio Canova kaufte um 1800 mehrere Grundstücke der Augustiner-Mönche an der Via del Colonnette. Er transformierte sie in den folgenden Jahren in eine innovative und rege Arbeitsfabrik, in der er und viele Assistenten in großen Ateliers seine berühmten Werke aus Gips und Marmor schufen. Was hinter der Hauswand geschah, vermochte wohl aber auch der aufmerksame Römer zu dieser Zeit nicht gänzlich erfassen können. Trotzdem wird er (hoffentlich) für einen kurzen Moment stehen geblieben sein und sein Auge an der Fassade festgehalten haben, zu ungewöhnlich ist es dieses Haus dann doch. In die glatt geputzten Aussenwände sind in loser Anordnung Bruchstücke, Spolien, antiker römischer Gebäude und Skulpturen der Via Appia in den Putz eingefasst. Das Canova leichten Zugang zu diesen Fragmenten hatte, sollte in Anbetracht seines Berufes und des Überflusses und Abrisses im damaligen Rom aus heutiger Sicht kein Wunder darstellen.
Dass die Fragmente willkürlich an der Fassade angeordnet sind, verwehrt sich in dem Moment, in dem man beginnt die Bruchstücke gedanklich-visuell zu verbinden. Zwar passen die Stücke aufgrund ihrer Art und ursprünglichen Verwendung sehr offensichtlich nicht zusammen, doch es scheint, als gehen sie über ihre Lage an der Fassade eine sich gegenseitig ordnende Beziehung ein. Bedacht fassen sie die Hauswände ein und betonen räumliche Markanten.
Wie begegnet man dem Thema der glaubhaften Tektonik und einer Bekleidung, wann ergeben einzelne Fragmente wieder ein Ganzes, müssen Brüche nicht erkennbar und dadurch kraftvoll bleiben, wie können wir Weiterbau betreiben, wenn wir uns von einer kreativen Neuschöpfung aller Teile freimachen? Das Haus hat mich zu vielerlei Gedanken und Fragen eingeladen, dessen Antworten ich zwar nicht gefunden, Ihnen durch dieses Haus doch um einiges näher gekommen bin. Übersehen werde ich dieses Haus bei meinem nächsten Rom-Besuch aber sicher nicht mehr…
zur Person und Beitrag:
Das Wiederverwenden und der gestalterische Einsatz von „Gebrauchtem“ ist in der Architektur immer schon ein beliebtes Mittel, oft sogar eine schiere Notwendigkeit gewesen. Sogar unser Schwarzwaldhäuschen – Baujahr 1954 – ist davon noch realer Zeuge. Dass wir diesbezüglich nun „plötzlich“ in der Gesellschaft vom „Umdenken“ diskutieren müssen, zeugt von einer „Neuwertssucht“ und der rein statusorientierten Ausstattungsmentalität unserer Baukultur. Dabei ist der ökonomische Wert des Neuen nur eine Einbildung, der ökolöogische sogar negativ. „Neu vor Gut“ ist das Mantra, um anstrengende Entwurfsprozesse und lästige Fragen, wie z.B. zu Nachhaltigkeit, auszublenden.
Dass ein Architektur- und Werkstudent freiwillig mit einem solchen Beitrag ankommt, spricht nicht nur für Ihn und sein Talent, sondern läßt auch hoffen.