dieses Mal Thomas Gerstmeir
Fußgängertunnel Stuttgart 21
Der Fußgängertunnel durch die Baustelle Stuttgart 21 hat aussergewöhnliche Qualitäten: Wie ein Flachverzug eines überdimensionalen Lüftungskanals windet sich diese begehbare Röhre im Breitbandformat durch die Großbaustelle in Stuttgart. Immer situativ angepasst und etwas wackelig austariert – auf der Nahtstelle zwischen neuem und alten Bahnhof. Dabei verwindet sich der Transitraum in Low-Budget-Ausstattung um unzählige imaginäre Ecken, steigt leicht an und senkt sich wieder, kippt teilweise sogar weg. So stellt sich offensichtlich nicht nur bei mir eine Orientierungslosigkeit ein – sozusagen ein Raumrausch. Die Egoshooterperspektive und -ästhetik verstärkt die cineastische Unwirklichkeit des Provisoriums.
Der Grund für die Wegeführung bleibt dem ausgelieferten Bahnkunden unerschlossen. Wie bei einer Peepshow kann man hin und wieder einen Blick auf die durchaus imposanten Kelchstützen und das Baustelleninferno des neuen Bahnhofes erhaschen. Aber auch dies führt eher zur Verwirrung als Klärung. Wie schön!
Natürlich braucht man Zeit und Muße, um solche Umstände genießen zu können. Eine Hetzjagd von der S-Bahn zum ICE nach München ist da wenig hilfreich. Aber dabei hilft die Deutsche Bahn AG mit ihren verspäteten Zügen gern und durchaus zuverlässig – immer wieder und gefühlt leider auch immer öfter.
Immer wieder ein Augen- und Hirnschmauß. Ich genieße sehr diese Reihe „Haus des Monats“. Danke für die tollen Inhalte.