September 2023

Neues Rathaus in Pforzheim

von Thomas Gerstmeir

Weil immer alle sagen, Pforzheim wäre die „hässlichste“ Stadt Deutschlands – was ja schon an sich eine Challenge wäre – hab ich sie mir in Begleitung mal persönlich angeschaut. Und zwar mit erstaunlichem Ergebnis: Wir waren sehr angetan. Begeisterung wäre vielleicht ein zu starkes Wort. Aber wir näherten uns durchaus an deren Rand.

Neben der Enz, die mit der Nagold in der Stadt zusammenfließt und reichlich gelungene Uferpromenade bereithält, war eben die wilde Mischung aus reiner Nachkriegsarchitektur, durch alle „Post-War-Epochen“ hindurch, so auf- und anregend. Da wäre zum Beispiel die Bibliothek zu erwähnen, die postmoderner nicht sein könnte und sich bis in das kleinste Accessoire hinein an Bildern alter und angesehener Bibliotheken bedient. Völlig unvermittelt neben dem „Neuen Rathaus“ platziert, in direkter Nachbarschaft zu Stadthalle und Stadttheater. Das Neue Rathaus selbst ist im Gegensatz dazu eine brutalistische Großform. Und zwar so mustergültig, dass es sich erübrigt, dieses Haus genauer zu beschreiben.
Und beide, nein alle vier Gebäude, bekennen sich unmissverständlich zu den Ansichten und Strategien ihrer Zeit. Ein zeitliches Multi-Kulti! Ein gebauter dtv-Nachkriegs-Stilatlas! Das macht Pforzheim auch aus und muss man als normalkostgewohnter Nicht-Architekt natürlich nicht mögen. Aber wenn das nun die hässlichste Stadt Deutschlands sein soll, sind wir echt gut. Viel besser, als wir selbst wohl glauben.
PS: Im Gegensatz zur Realschule in Vilsbiburg hat es das Neue Rathaus in Pforzheim tatsächlich auf die Denkmalliste geschafft.
Auf der Seite sosbrutalims.org sind beide zu finden.

Architekt: Rudolf Prenzel
Marktplatz 1, Pforzheim
Bauzeit: 1959-1973
(1959-1963 Wettbewerb, Baubeginn 1968)

Foto: Thomas Gerstmeir

One thought on "September 2023"

  1. Markus Meßenzehl sagt:

    Ich lese schon seit graumer Zeit, Ihre Beiträge zum Haus des Monats und finde sie immer wieder eine Bereicherung. Ich schätze sehr, mit welch feinem Blick hier gewöhnliche und ungewöhnliche Gebäude betrachtet werden und so ihre verdiente Würdigung erhalten. Vielen Dank dafür, ich freue mich schon auf den nächsten Monat.

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